Bundestag beschließt Antrag zur Förderung von Sozialen Innovationen

29.05.2020

Bundestag beschließt Antrag zur Förderung von Sozialen Innovationen

Wir sind begeis­tert! Nach Bündnis 90/Die Grünen und der Linken haben heute auch FDP und die beiden Regie­rungs­frak­tio­nen einen Antrag zu Sozia­len Innovationen/Social Entre­pre­neur­ship in den Bun­des­tag ein­ge­bracht. Vielen Dank an die Pio­nie­re unter den Politiker*innen, die das möglich gemacht haben.

Der heute beschlos­se­ne Antrag ist ein Mei­len­stein für die För­de­rung von Sozia­len Inno­va­tio­nen in Deutsch­land! Gerade im Hin­blick auf unsere großen gesell­schaft­li­chen Her­aus­for­de­run­gen gilt es, die nun beschlos­se­nen Punkte zügig umzu­set­zen und im Hin­blick auf einen ganz­heit­li­chen Ansatz ver­blei­ben­de Lücken im Antrag zu schlie­ßen. Und da gibt es noch einige!

Doch werfen wir einen kri­ti­schen Blick auf die Themen des Antrags und ordnen diese ein.

Wer ist unser:e Ansprechpartner:in?

Wir freuen uns über die Absicht, eine res­sort­über­grei­fen­de Stra­te­gie zu ent­wi­ckeln, da unser Thema bisher zwi­schen den Minis­te­ri­en und Res­sorts hin und her­ge­scho­ben wurde. Dies hat bislang zu wenig nach­hal­ti­gen Insel­lö­sun­gen geführt. Wir ver­mis­sen hier aller­dings eine kon­kre­te Zustän­dig­keit. Wer hat den Hut auf? Wer über­nimmt die Ver­ant­wor­tung für die Umset­zung? Wer ist eine Ansprechpartner*in für Social Entre­pre­neurs? Diese Fragen bleiben im Antrag unbe­ant­wor­tet. Im Hin­blick auf die diver­sen Wir­kungs­be­rei­che Sozia­ler Inno­va­tio­nen wäre es in unseren Augen sinn­voll die Koor­di­na­ti­on direkt über das Kanz­ler­amt laufen zu lassen. Auch im par­la­men­ta­ri­schen Betrieb sollte das Thema zukünf­tig bei der Aus­schuss­struk­tur ein­be­zo­gen werden, z.B. als stän­di­ger Unterausschuss.

Gemeinsames Verständnis schärfen

Die Absicht eine Defi­ni­ti­on für Sozi­al­un­ter­neh­men zu ent­wi­ckeln ist eben­falls in unserem Sinne – da hinken wir ja dem Groß­teil der EU-Nach­bar­län­dern hin­ter­her. Hier haben wir im letzten Jahr gemein­sam mit Praxis und Wis­sen­schaft vor­ge­legt und eine Defi­ni­ti­on erar­bei­tet, auf der bei dieser Arbeit auf­ge­baut werden kann. Dabei ist wichtig immer im Blick zu behal­ten, worum es Social Entre­pre­neurs geht: Neue Ansätze zur Über­win­dung gesell­schaft­li­cher Pro­ble­me zu ent­wi­ckeln und umzu­set­zen. Posi­ti­ve gesell­schaft­li­che Wirkung ist das oberste Ziel, ihre Orga­ni­sa­ti­ons- und Finan­zie­rungs­mo­del­le sind divers.

Finanzierung: Kein Erkenntnis‑, sondern ein Handlungsproblem

Da die Finan­zie­rung für Sozi­al­un­ter­neh­men nach wie vor zu den größten Her­aus­for­de­run­gen des Sektors zählt, haben wir natür­lich einen genaue­ren Blick darauf gewor­fen, ob der Antrag an dieser Bau­stel­le etwas ändern wird. Hier fehlt es leider an kon­kre­ten Hand­lungs­ab­sich­ten. Wieder einmal soll zunächst geprüft werden, wo der Bedarf liegen könnte. Zu dem Thema gibt es inzwi­schen eine Viel­zahl von Studien u.a. auch von KfW (2013, 2019) und BMWi (2015), in denen die Lücken auf­ge­zeigt und ziel­grup­pen­spe­zi­fi­sche Hand­lungs­emp­feh­lun­gen erar­bei­tet wurden. Die aktu­el­le Situa­ti­on während Corona wirkt wie ein Brenn­glas auf die bestehen­de Lücke: Ledig­lich 3,2% der Sozi­al­un­ter­neh­men konnten die Corona-Hilfen der KfW in Anspruch nehmen. Hier gibt es kein Erkennt­nis­pro­blem, sondern ein Handlungsproblem!

Eine große Her­aus­for­de­rung sehen wir bei der Aussage „im Rahmen der zur Ver­fü­gung ste­hen­den Haus­halts­mit­tel”: Werden für die Umset­zung nicht die nötigen Res­sour­cen zur Ver­fü­gung gestellt, werden wir den bis­he­ri­gen Rück­stand bei diesem wich­ti­gen Zukunfts­the­ma nicht auf­ho­len; im schlimms­ten Fall uns rück­wärts bewegen. Hier hätten wir uns nach dem Vorbild Frank­reich ein kon­kre­tes Budget gewünscht. Umso weniger ist es nach­voll­zieh­bar, dass unser Vor­schlag zum Aufbau eines Social Impact Fonds über „nach­rich­ten­lo­se Ver­mö­gens­wer­te“ nicht auch in dem Antrag berück­sich­tigt wurde, denn so hätte man auch gleich die ent­spre­chen­de Quer­fi­nan­zie­rung. Eine ähn­li­che Nutzung dieser Gelder wurde neben dem Impuls­pa­pier des High­tech-Forums auch in Anträ­gen von FDP und Bündnis 90/Die Grünen vor­ge­schla­gen. In Groß­bri­tan­ni­en wurden über diese Gelder z.B. die digital-soziale Inno­va­ti­ons­stif­tung nesta finan­ziert – oder aktuell zivil­ge­sell­schaft­li­che Orga­ni­sa­tio­nen bei ihren Lösun­gen in der Corona-Pan­de­mie unterstützt.

Rahmenbedingungen für sozial-innovative Gründungen

Beson­ders schmerz­lich ver­mis­sen wir auch, dass der Antrag sich nicht mit den Rah­men­be­din­gun­gen für die Grün­dung inno­va­ti­ver Sozi­al­un­ter­neh­men aus­ein­an­der­setzt – dabei können die meisten Sozi­al­un­ter­neh­men ein Lied davon singen, dass in vielen Fällen weder die klas­si­sche Gemein­nüt­zig­keit noch eine rein gewerb­li­che Rechts­form für sie passt. Bei der Vergabe der Gemein­nüt­zig­keit stehen gerade digitale/innovative Lösun­gen mit neuen Wir­kungs­mo­del­len vor großen Her­aus­for­de­run­gen, da sie im Gemein­nüt­zig­keits­recht so nicht vor­kom­men. Zudem dauert der Prozess der Ertei­lung der Gemein­nüt­zig­keit durch die kom­mu­na­len Finanz­äm­ter oft mehrere Monate.

Auch der Rechts­form­vor­schlag der Stif­tung Ver­ant­wor­tungs­ei­gen­tum, wurde zwar von den Anträ­gen der Grünen und der FDP befür­wor­tet, im Antrag der Bun­des­re­gie­rung aber igno­riert. Dabei würde das Modell für Sozi­al­un­ter­neh­men im Bereich der gewerb­li­chen Wirt­schaft die Mög­lich­keit bieten, einen gesell­schaft­li­chen Unter­neh­mens­zweck besser zu ver­an­kern. Eine solche Rechts­form bietet auch große Poten­zia­le für den Aufbau von digi­ta­len Platt­for­men nach euro­päi­schen Werten sowie für die Her­aus­for­de­run­gen der Unter­neh­mens­nach­fol­ge im Mittelstand.

Die richtigen Anreize setzen für Transfer und Zusammenarbeit

Damit Soziale Inno­va­tio­nen sich ver­brei­ten können, müssen Anreize und Struk­tu­ren geschaf­fen werden – zum Bei­spiel über die Zusam­men­ar­beit mit der öffent­li­chen Hand. Dieser Punkt fällt im vor­lie­gen­den Antrag fast völlig unter den Tisch, obwohl dieses auch im Impuls­pa­pier des High­tech-Forums inten­siv auf­ge­grif­fen wurde und aktuell mit #WirVs­Vi­rus ein solcher Prozess läuft, der gut auf die Lösung wei­te­rer Her­aus­for­de­run­gen über­trag­bar wäre. Dazu gehört eine bessere Berück­sich­ti­gung von Sozia­len Inno­va­tio­nen im öffent­li­chen Beschaf­fungs­we­sen, sowie in einer Schu­lung von Mitarbeiter*innen in Kom­mu­nen zu Sozia­len Inno­va­tio­nen sowie dem Aufbau ent­spre­chen­der Inno­va­ti­ons­scouts. Das Poten­zi­al für Kom­mu­nen ver­deut­licht ein Beitrag von Sozi­al­un­ter­neh­mer Sascha Hasel­may­er, der mit CityMart welt­weit den Pro­blem­lö­sungs­pro­zess von Kom­mu­nen revo­lu­tio­niert – mit Aus­nah­me seiner Heimat in Deutsch­land. Zu dem Thema bietet der Antrag der FDP auch noch eine Reihe wich­ti­ger Handlungsimpulse.

Neben der öffent­li­chen Hand sind Träger der Wohl­fahrts­pfle­ge in vielen Fällen ein guter Partner für die gemein­sa­me Ent­wick­lung und Ver­brei­tung von Sozia­len Inno­va­tio­nen. Wie wir bereits in unserem Positionspapier4 dazu gefor­dert haben, sollten auch bestehen­de Struk­tu­ren stärker in der Inno­va­ti­ons­för­de­rung berück­sich­tigt werden. Aber auch auf diesen sehr nahe­lie­gen­den Lösungs­weg geht der Antrag nicht ein.

Vom Prüfen ins Machen kommen und #gemeinsamwirken

Nachdem wir den Finger noch einmal kräftig in die Wunde gelegt haben, wollen wir aber nicht ver­ges­sen, die vielen tollen Ansätze aus dem Antrag her­vor­zu­he­ben. Der Aufbau Sozia­ler Inno­va­ti­ons­zen­tren schafft eine wich­ti­ge Infra­struk­tur, damit mehr Bürger:innen aktiv an den Lösun­gen unserer gesell­schaft­li­chen Her­aus­for­de­run­gen mit­ar­bei­ten können. Eine Stär­kung der Sicht­bar­keit, Anreize für gemein­wohl­ori­en­tier­te Finan­zie­rungs- und Inves­ti­ti­ons­in­stru­men­te, Inno­va­ti­ons­wett­be­wer­be zu unge­lös­ten sozia­len Fra­ge­stel­lun­gen, mehr For­schung zu Sozia­len Inno­va­tio­nen … Es sind viele Punkte ent­hal­ten die einen wich­ti­gen Beitrag für die Gestal­tung einer sozial-nach­hal­ti­gen Gesell­schaft mit sich bringen können. Hier ist es aber wichtig vom Prüfen ins Handeln zu kommen! Wir freuen uns auf die nächs­ten Schrit­te und das gemein­sa­me „auf die Straße bringen“!

Unser aus­führ­li­ches State­ment gibt es HIER.

Noch eine kleine Anek­do­te zum Schluss: Bei unserem Par­la­men­ta­ri­schen Abend vor ziem­lich genau einem Jahr hat der Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te Thomas Sat­tel­ber­ger irgend­wann zu seinen Mitdiskutant*innen gemeint, dass es bei dem Thema so eine große Über­ein­stim­mung gibt, dass man eigent­lich gemein­sam einen frak­ti­ons­über­grei­fen­den Antrag ein­rei­chen müsste. Das sehen wir genauso! Es geht bei Sozia­len Inno­va­tio­nen und Social Entre­pre­neur­ship schließ­lich um Lösun­gen gesell­schaft­li­cher Her­aus­for­de­run­gen! Ein Thema an dem alle kon­struk­ti­ven Par­tei­en inter­es­siert sein sollten. Hier schlum­mert viel Poten­zi­al für ein #Gemein­sam­Wir­ken ;)

Die Anträge der ein­zel­nen Fraktionen:

CDU/CSU & SPD: „Soziale Inno­va­tio­nen stärker fördern und Poten­zia­le effi­zi­en­ter nutzen

FDP: „Social Entre­pre­neur­ship – Soziale Inno­va­ti­on als Zwil­ling der tech­no­lo­gi­schen Inno­va­ti­on

Bündnis 90/Die Grünen: „Stra­te­gi­sche För­de­rung und Unter­stüt­zung von Social Entre­pre­neur­ship in Deutsch­land

Die Linke: „Soziale Inno­va­tio­nen stärken

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