Frauen gründen in einem Bereich genauso häufig wie Männer

26.02.2019

Frauen gründen in einem Bereich genauso häufig wie Männer

Ende letzten Jahres hat eine Studie der Boston Con­sul­ting Group für Wellen in der Startup Welt gesorgt. Laut dieser Studie gingen in den letzten 10 Jahren nur 4% der Grün­dun­gen von Frauen hervor. Beson­ders bemer­kens­wert aller­dings dabei: von Frauen gegrün­de­te Start­ups „holen aus jedem inves­tier­ten Euro mehr als doppelt so viel heraus“, sie ori­en­tie­ren sich häu­fi­ger an gesell­schaft­li­chen Pro­blem­stel­lun­gen und achten stärker auf die Pro­fi­ta­bi­li­tät ihres Unter­neh­mens als auf ein kapi­tal­in­ten­si­ves, schnel­les Wachstum.

Nun kommt eine weitere Studie hinzu. Das Social Entre­pre­neur­ship Netz­werk Deutsch­land (SEND) führt jähr­lich eine Befra­gung unter Sozialunternehmer:innen durch. Laut des gerade erschie­ne­nen Deut­schen Social Entre­pre­neur­ship Monitor (DSEM) werden ganze 46% der Social Start­ups in Deutsch­land von Frauen gegrün­det. Social Start­ups sind Unter­neh­men, die vor­wie­gend eine posi­ti­ve soziale oder öko­lo­gi­sche Wirkung erzie­len wollen, aber auch eine trag­fä­hi­ge Finan­zie­rung anstre­ben: „The best of both worlds“ könnte man sagen. Also gründen Frauen doch – nur gründen sie anders. Wie passt das denn alles zusammen?

Was wir von Unternehmerinnen lernen können

Frauen gründen zwar weniger häufig, aber wenn sie gründen, lösen sie häufig damit gesell­schaft­li­che Pro­ble­me. Wenn man sich umschaut, sind das genau die Unter­neh­men, die wir gerade brau­chen. Wir brau­chen ganz drin­gend neue Wege, um die Her­aus­for­de­run­gen des Kli­ma­wan­dels zu bewäl­ti­gen und unsere demo­kra­ti­schen Werte zu stärken. Wir brau­chen kein „Busi­ness As Usual“ sondern Unter­neh­men, Gründer:innen und Mitarbeiter:innen, die den Status Quo genau hin­ter­fra­gen. Social Entre­pre­neurs etwa, das zeigen die Zahlen im DSEM, binden ihre Mitarbeiter:innen bei stra­te­gi­schen Ent­schei­dun­gen ein (84,2%), reinves­tie­ren ihr Gewinne in den Zweck ihrer Orga­ni­sa­ti­on (81,6%) und berück­sich­ti­gen Aspekte der Fair­ness und Nach­hal­tig­keit in ihren Lie­fer­ket­ten (94,3%). Wie kann man also diese Ent­wick­lung fördern?

Für das Buch „Start­ing a Revo­lu­ti­on. What we can learn from female entre­pre­neurs about the future of busi­ness“ haben Lisa Jaspers und ich viele Frauen inter­viewt, die genau das tun: erfolg­rei­che Busi­nesses auf­bau­en und sich trotz­dem (oder gerade deshalb) nicht dem Status Quo beugen. Ste­pha­nie Shirley zum Bei­spiel, hat ein Tech Startup in den 60ern gegrün­det und nur Frauen beschäf­tigt, die wegen Dis­kri­mi­nie­rung sonst keine Chance auf dem Arbeits­markt hatten. Sie hat die Mehr­heit ihrer Anteile, inklu­si­ve Stimm­rech­te, an ihre Mitarbeiter*innen aus der Über­zeu­gung abge­tre­ten, dass sie am Gewinn und an Ent­schei­dun­gen betei­ligt sein sollen. Sehr viele von den Hun­der­ten von Mitarbeiter:innen sind wegen des rie­si­gen finan­zi­el­len Erfolgs des Unter­neh­mens sogar Mil­lio­nä­re gewor­den. Was uns während der Recher­che zum Buch aller­dings auf­ge­fal­len ist: wenn man die Dinge anders machen möchte, gibt es häufig sys­te­mi­sche Hin­der­nis­se, die einem den Weg erschweren.

Die Hindernisse für Sozialunternehmerinnen

Social Entre­pre­neur­ship an sich ist – in Deutsch­land zumin­dest – ein relativ junges Feld. Es ent­wi­ckeln sich gerade Öko­sys­te­me, För­der­instru­men­te und Netz­wer­ke und der Sektor wächst rasant. 75% der Social Start­ups sind laut DSEM zwi­schen 2014 und 2019 gegrün­det worden. Neue För­der­pro­gram­me öffnen sich auch langsam für Social Start­ups, die bisher vor allem klas­si­schen Start­ups und Gründer:innen zugäng­lich waren. Einige Minis­te­ri­en haben bereits eigene För­der­töp­fe für Social Start­ups im Blick, wenn auch mit deut­lich weniger Geld aus­ge­stat­tet – obwohl Social Start­ups immense Vor­tei­le und Erspar­nis­se für den Staat ver­spre­chen können. Dennoch sind die Unter­stüt­zungs­an­ge­bo­te nicht ausreichend.

Impact Invest­ments sind häufig ein wei­te­res För­der­instru­ment. Auch hier ist das ver­füg­ba­re Kapital deut­lich weniger als bei tra­di­tio­nel­len Invest­ments. Zusätz­lich belegen Studien schon seit Jahren, dass Frauen an vielen Stellen im Invest­ment Prozess benach­tei­ligt sind. Eine Studie von Colum­bia Busi­ness School in New York weist neu­er­dings erneut nach, dass Frauen zum Bei­spiel andere Fragen beim Pitchen gestellt bekom­men als Männer. Wobei Männer 2/3 “Pro­mo­ti­on”- Fragen gestellt bekom­men, werden Frauen 2/3 soge­nann­ter „Prä­ven­ti­on“- Fragen gestellt. Je mehr „Prä­ven­ti­on“ Fragen ein:e Gründer:in beant­wor­tet desto weniger Geld erhal­ten sie. Bei dieser Studie bedeu­te­te das 3,8 Mil­lio­nen USD weniger Inves­ti­ti­on pro Frage. Viele weitere Studien kommen zum glei­chen Schluss: Sozi­al­un­ter­neh­me­rin­nen werden im Invest­ment Prozess quasi doppelt benachteiligt.

Fest steht: Frauen leiten bereits viele Sozi­al­un­ter­neh­men, NGOs, Bewe­gun­gen und sind Akti­vis­tin­nen. Wenn wir mehr Unter­neh­me­rin­nen sehen möchten, müssen wir Frauen nicht „ermu­ti­gen“ ein Startup zu gründen, sondern müssen ganz einfach die Rah­men­be­din­gun­gen für die Grün­dun­gen von Social Start­ups ver­bes­sern und zwar immer auch mit einer Gender-Lupe. Denn wir brau­chen genau diese Unter­neh­men, die Frauen bereits schon sehr über­zeu­gend und pio­nier­haft gründen – trotz Hin­der­nis­sen bei der Finan­zie­rung und an vielen andere Stellen.

Stellen wir uns vor, Politiker:innen und Investor:innen würden ernst­haft die sys­te­mi­schen Hin­der­nis­se abbauen, die Gründer:innen und Sozialunternehmer:innen ins­ge­samt aus­ge­setzt sind. Und sie würden diesen Unternehmer:innen genau so viel Auf­merk­sam­keit und Geld schen­ken, wie sie es bei her­kömm­li­chen Start­ups und Unter­neh­men aktuell tun. Wie würde die Welt dann aussehen?

Autorin:

Naomi Ryland ist Grün­de­rin von tbd*, dem digi­ta­len Zuhause für Men­schen, die auf der Suche nach einem Job mit Sinn sind. Außer­dem ist sie Mit­her­aus­ge­be­rin des Buches “Start­ing a revo­lu­ti­on” und hat SEND zwei Jahre ehren­amt­lich im Vor­stand unterstützt.

Deutscher Social Entrepreneurship Monitor 2019

» zur Studie

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